Jugendhilfe & Schulen, RAA allgemein

Schulsozialarbeit: „Lösungsliga“ – Konflikte gewaltfrei lösen

Ein Gewaltpräventionsprojekt mit Tiefgang
Ein Bericht über ein besonderes Projekt an der Rudi-Glöckner-Oberschule, das Schülerinnen und Schülern neue Wege im Umgang mit Konflikten zeigt

Im September 2025 startete an der Rudi-Glöckner-Oberschule in Leipzig ein ganz besonderes Gewaltpräventionsprojekt, das über mehrere Wochen hinweg stattfindet. In zwei unterschiedlichen Klassenstufen wurden insgesamt zehn Tandems gebildet, die gemeinsam durch verschiedene Phasen des Projekts gehen. Ziel ist es, alternative Wege zur Gewalt zu finden – Wege, die auf Wahrnehmung, Respekt und bewusster Grenzsetzung beruhen.

Drei Phasen, ein Ziel: Gewaltfrei kommunizieren

Das Projekt ist in drei klar strukturierte Phasen gegliedert: Anwärmen, Hauptteil und Auswertung. Bereits in der ersten Phase wurden durch spielerische und vertrauensbildende Übungen die Grundlagen gelegt. Schon beim Anwärmen wurde klar, dass alle im Raum, Schüler, Schülerinnen, Trainerin als auch Sozialarbeiterin, mit Gewalt zu tun hatten – u. a. bei der Übung „Steh auf, wenn Du …“ schonmal Opfer oder Täterin von Gewalt gewesen bist.

Übungen mit Tiefgang – Grenzen wahrnehmen und setzen

Im Hauptteil standen intensive Körper- und Wahrnehmungsübungen im Fokus. Besonders eindrucksvoll war eine Übung, bei der die Kinder sich Grenzerfahrungen stellen sollten: Die Trainerin näherte sich dem Gesicht eines Kindes sehr nah – eine Situation, die Irritation und Reflexion auslöste. In einer anderen Übung ließen sich die Schülerinnen und Schüler symbolisch mit einer Poolnudel „schlagen“ – immer auf freiwilliger Basis, um die eigenen Grenzen und die der anderen zu erkennen und zu respektieren.

Eine zentrale Botschaft des Projekts ist: „Stopp sagen – und entsprechend handeln.“ Gewalt sei keine Lösung, aber klare Kommunikation und Selbstbehauptung sehr wohl. Dies wurde durch verschiedene Übungen unterstützt, etwa durch gestufte Übungen mit einem Tuch, dann einer Poolnudel und schließlich einem Schlagstock. Diese Übung verlangte ein hohes Maß an Vertrauen und Achtsamkeit innerhalb der Tandems.

Starke Momente: Verantwortung füreinander übernehmen

Ein besonders bemerkenswerter Moment ereignete sich in der Gruppe der Klasse 7, als der Schlagstock ins Spiel kam. Alle Teilnehmenden sprachen ein klares „Nein“ aus – eine Entscheidung, die nicht nur die eigenen Grenzen schützte, sondern auch zeigte, wie stark die Gruppe füreinander einsteht, wenn es draufankommt. Auch als es bei einem versehentlichen Schlag auf die Wange zu einem unangenehmen Moment kam, standen sich die Jugendlichen bei und übernahmen Verantwortung füreinander.

Wahrnehmung schärfen – auch ohne Worte

Eine Übung, die zunächst simpel wirkte, entpuppte sich als äußerst aufschlussreich: Die Schülerinnen und Schüler sollten sich ohne zu sprechen nach Augenfarbe sortieren. Während dieser Übung trat die Trainerin in den „Sicherheitsbereich“ einzelner Teilnehmer*innen ein – und niemand reagierte. Auf Nachfrage erklärten die Jugendlichen, sie hätten nichts gesagt, weil die Trainerin bekannt sei und keine Angst ausgelöst habe. Die spannende Frage: Wären sie bei einer fremden Person auch so ruhig geblieben? Die Übung regte zum Nachdenken über Vertrauen, Nähe und persönliche Grenzen an.

Kooperation statt Konkurrenz

Auch das klassische Armdrücken wurde neu interpretiert: Anstatt gegeneinander zu gewinnen, lautete die Aufgabe, so viele Arme wie möglich herunterzudrücken. Die meisten Paare starteten im Konkurrenzmodus – bis sie erkannten, dass Zusammenarbeit die Lösung war. Gemeinsam schafften es viele, alle Arme „herunterzudrücken“. Eine Erkenntnis, die auch über die Übung hinaus Bedeutung hat: Im Team lassen sich Herausforderungen besser bewältigen.

Ein zentraler Punkt während der Trainings ist das Boxen und u .a. die Fragestellungen, was die Tandems zurückhält, wogegen sie ggf. kämpfen, könnten sie aufhören, was bräuchte es dafür? Alle Übungen sind durch die Trainerin freiwillig anmoderiert und umgesetzt. Ängste gegen das Unbekannte wurden formuliert und im geschützten Rahmen thematisiert.

Fazit: Ein starkes Projekt mit nachhaltiger Wirkung

Dieses Gewaltpräventionsprojekt zeigt, wie wichtig es ist, Kindern und Jugendlichen Räume zu geben, in denen sie sich selbst und andere bewusst wahrnehmen können. Es geht nicht um bloße Regeln gegen Gewalt, sondern um ein tiefes Verständnis für Grenzen, Respekt und zwischenmenschliche Dynamiken.

Die Jugendlichen erleben, dass man Konflikte anders lösen kann – ohne Fäuste, aber mit Haltung, Stimme und Teamgeist. Und das ist vielleicht die stärkste Form der Stärke.

Verantwortlich für das Projekt: Schulsozialarbeit der RAA Leipzig e. V. in Kooperation mit Charlotte Delonge von PRISMA Dojo & Akademie

Mit dabei: Schüler und Schülerinnen einer 6. und 7. Klasse der Rudi-Glöckner-Oberschule in Leipzig-Grünau

Unser Engagement wurde unterstützt von der Spendenorganisation Stiftung Bildung als Programmträgerin von „Menschen stärken Menschen – Chancenpatenschaften“ – gefördert durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

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